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21.10.2021
Bewerbung mit Handicap: Tipps für den Bewerbungsprozess
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Die Suche nach einem neuen Job bedeutet, sich bestmöglich zu präsentieren. Egal, ob mit oder ohne Handicap, die Bewerbungsphase stellt jeden vor besondere Herausforderungen und sorgt dafür, dass wir uns und unsere Besonderheiten noch einmal besonders kritisch betrachten. Für Menschen mit Behinderung stellt sich dabei die Frage, ob, wann und wie sieht diese thematisieren sollten.
Die Bewerbungsphase ist stressig und erfordert viel persönlichen Einsatz.
Foto: Pixabay.com - CCO Public Domain
Keine Anstellungspflicht für Schweizer Unternehmen
Anders als in Deutschland gibt es in der Schweiz keine gesetzlich verankerte Verpflichtungen für Unternehmen, Menschen mit Handicap einzustellen. Gleichwohl existiert das Behindertengleichstellungsgesetz bezüglich der Zugänglichkeit von Gebäuden. Wenn mehr als 50 Arbeitsplätze in einem Gebäude untergebracht sind, muss die Erschliessung behindertengerecht sein. Insofern entlarven Ablehnungen aufgrund von baulichen Schwierigkeiten, die gelegentlich formuliert werden, die fehlende Fairness eines Unternehmens.
Einstellungspflicht in Deutschland
Der deutsche Staat schreibt Unternehmen ab einer Beschäftigungszahl von 20 Mitarbeitern vor, mindestens 5 % der Stellen mit Schwerbehinderten zu besetzen. Damit Menschen mit Handicap einen fairen Bewerbungsprozess durchlaufen können, müssen entsprechende Bewerbungsschreiben der Schwerbehindertenvertretung bzw. dem Betriebs-Personalrat gemeldet werden. Insbesondere in Ämtern und Behörden haben Menschen mit Behinderung gute Chancen, angenommen zu werden. Aus diesem Blickwinkel könnte es eine Überlegung wert sein, Bewerbungen an deutsche Unternehmen zu schicken.
Schwere Arbeitsmarktbedingungen für Menschen mit Handicap in der Schweiz
Behinderungen können ganz unterschiedliche Ausprägungen haben. Es kann sich um Behinderungen handeln, die direkt ins Auge fallen wie z. B. eine Querschnittslähmung. Auch weniger offensichtliche Behinderungen wie Schwerhörigkeit oder Beeinträchtigung der Sehfähigkeit gehören dazu. In sehr vielen Fällen macht sich das Handicap im Berufsleben kaum bemerkbar. Ausserdem wählen Betroffene in der Regel einem Beruf aus, der gut zu ihrem Handicap passt bzw. dessen Ausübung durch das Handicap nicht beeinträchtigt wird. Kein Wunder, dass Bewerber sich fragen, ob sie ihre Behinderung überhaupt erwähnen sollen oder nicht.
Zahlreiche potenzielle Arbeitgeber berücksichtigen Bewerbungen von Menschen mit Handicap nicht. Taucht der Begriff “Behinderung” in einer Bewerbung auf, legen Sie die Mappe zur Seite. Schliesslich sind sie nicht verpflichtet, eine bestimmte Quote zu erfüllen und tendieren eher dazu, sich nicht mit dem Thema Behinderung und der Bedeutung für den vakanten Arbeitsplatz auseinanderzusetzen.
Handicap verschweigen, ja oder nein?
Zwar ist es offiziell nicht gestattet, Bewerber aufgrund einer Behinderung zu diskriminieren, doch die Praxis zeigt ein anderes Bild. Lebensläufe werden aussortiert und somit haben Menschen mit Behinderungen faktisch schlechtere Chancen, zu Vorstellungsgesprächen eingeladen zu werden. Einer der Hauptgründe für dieses Verhalten ist, dass viele Arbeitgeber nach Vorurteilen handeln. Sie gehen pauschal davon aus, dass Menschen mit Handicap häufiger krank sind oder eine geringerer Leistungsfähigkeit an den Tag legen. Dass diese Vorurteile pauschal nicht stimmen können, ist zwar richtig, lässt sich aber ad hoc nicht ändern.
Wer sich in der Schweiz bewirbt und darüber nachdenkt, ob er eine Behinderung erwähnen sollte oder nicht, neigt deshalb verständlicherweise zu einem Nein. Im ersten Schritt bedeutet dies, dass zumindest ein Vorstellungsgespräch möglich wird, weil die Behinderung in einer Bewerbung nicht thematisiert wird. Abhängig von der Art der Behinderung lässt sich später immer noch auf das Handicap eingehen und dieses persönlich erklären. Dabei dient das Gespräch selbst als gute Gelegenheit, die eigenen Talente zu zeigen und zu beweisen, dass das Handicap keinen Einfluss auf die Ausübung der Tätigkeit hat.
Schwerhörigkeite lässt sich mit leistungsfähigen Hörgeräten sehr gut beheben.
Foto: Pixabay.com - CCO Public Domain
| | Es kommt auf die Behinderung und die eigene Haltung an
Am Ende des Tages ist es doch immer eine Einzelfallentscheidung. Jeder muss selbst entscheiden, wie er mit dem Thema umgeht, zumal die Art der Behinderung eine wesentliche Einflussgröße der Entscheidung darstellt. Wer im Rollstuhl sitzt, kann sein Handicap nicht verstecken. Wer schwerhörig ist allerdings schon. Ein nahezu unsichtbares und kompaktes Hörgerät im Ohr , das individuelle auf die körperlichen Gegebenheiten angepasst wird, gleicht die Behinderung aus und wird vom Gegenüber in vielen Fällen gar nicht wahrgenommen. Warum also darüber bereits in der Bewerbung darüber informieren und die eigenen Chancen auf ein Vorstellungsgespräch torpedieren?
Keine Verpflichtung zur Offenlegung
Sofern eine chronische Krankheit oder ein Handicap die Ausübung der Arbeit nicht beeinflusst, ist niemand zur Offenlegung verpflichtet. Potenzielle Arbeitgeber dürfen im Gegenzug auch nicht danach fragen. Dies ist im Bundesgesetz über den Datenschutz verankert. Eine Behinderung ist eine Personalie, die besonders schützenswert ist. Hierzu gibt es eine Ausnahme. Sollte die Einschränkungen unmittelbar damit im Zusammenhang stehen, die Anforderungen des Stellenprofils nicht pflichtgemäß ausüben zu können, ist der Hinweis seitens des Gehandicapten notwendig. Kurz gesagt: Schränkt die Behinderung nicht ein, muss sie nicht erwähnt werden.
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Tipps für den Umgang mit einer Behinderung im Bewerbungsprozess
Verschweigen oder nicht? Im Bewerbungsanschreiben darauf aufmerksam machen oder erst im Gespräch? Diese und andere Fragen bewegen Betroffene mit einer Behinderung. Die folgenden Tipps sollen helfen, für sich selbst die richtige Entscheidung zu treffen.
Offener Umgang: der richtige Zeitpunkt
Beeinflusst ein Handicap in keiner Weise die Ausübung der Arbeit, ist ein offener Umgang damit hilfreich. In diesem Zusammenhang sollten potenzielle Arbeitgeber keine Schwierigkeiten haben und eine Behinderung als Grund für eine Ablehnung nehmen. Für offenkundig sichtbare Behinderungen zeigt die Erfahrung, dass es ratsam ist, diese vor dem Bewerbungsgespräch zu benennen, statt einen Arbeitgeber damit zu überraschen - auch wenn beide Wege durchaus gangbar sind.
Sind Behinderungen nicht offensichtlich erkennbar, wie etwa eine Schwerhörigkeit, ist eine Erwähnung im Vorstellungsgespräch eigentlich nicht nötig. Ein günstiger Zeitpunkt wäre z. B. nach Abschluss des Bewerbungsprozesses. Wer erst dann auf das Handicap aufmerksam macht, wird in vielen Fällen über die Reaktionen überrascht sein. Subjektive Erfahrungen von anderen zeigen, dass die Überraschung aufseiten des Arbeitgebers einen positiven Effekt hatten. “Sie sind schwerhörig? Das konnten wir Ihnen bislang gar nicht anmerken.“ Eine solche Aussage ist natürlich positiv und bestärkt den Arbeitgeber darin, ein Handicap wie dieses nicht als Ausschlussgrund heranzuziehen.
Komplett verschweigen? Keine gute Idee.
Falls Bewerber mit einem nicht offensichtlichen Handicap sich dazu entschieden haben, dieses vollständig zu verschweigen, sollten sie noch einmal in sich gehen und einige Aspekte gegeneinander abwägen. Zwar ist Schweigen nicht mit Lügen gleichzusetzen, doch im Laufe der Monate und Jahre in einem Betrieb kann es geschehen, dass man sich in den eigenen Ausreden verstrickt und möglicherweise als Lügner dasteht. Auf Unehrlichkeit lässt sich kein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen. Das gilt im Privaten genauso wie im beruflichen.
Wer allerdings erst abwarten will, bevor er das Handicap zur Sprache bringt, könnte nach Ablauf der Probezeit das Gespräch suchen. Bis dahin können Betroffene bereits in der Praxis beweisen, dass ihre Behinderung ihre Arbeit nachweislich nicht beeinflusst.
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